Seit 2015 unterstützt Tobias Wunsch die Management Angels als Senior Consultant und Associated Partner. Außerdem berät und begleitet er als Change Manager seit 21 Jahren Unternehmen bei Veränderungen. Zuerst als interner Change Agent bei Philips, später als Berater für zwei Unternehmensberatungen und seit 2011 als selbständiger Consultant und Interim Manager.
Wie definieren Sie Change Management und wo grenzen Sie es zu Projektmanagement ab?
Tobias Wunsch: „Change Management ist das Management von Veränderungsprozessen, in denen ausgehend von einem Status Quo ein neuer Zielzustand erreicht werden soll, der auch eine Verhaltensänderung beinhaltet. Im Vergleich zum Projektmanagement fokussiert sich Change Management auf die Bedürfnisse der Betroffenen, ihr Verhalten und ihre Reaktionen – sowohl als Einzelperson, wie auch als betroffene Gruppe.
Change Management ist deshalb auch immer eine intensive Betrachtung der Umstände und Risiken, die sich insbesondere aus der Unternehmenskultur ergeben. Sie will ein Arbeitsumfeld erschaffen, in dem unausweichliche Veränderungen von allen Betroffenen konstruktiv und engagiert mitgetragen werden. Sehr hilfreich dafür ist selbstverständlich eine gute Führungskultur mit ausgeprägter, offener Kommunikation.
Man könnte sagen, dass sich Change Management um alle Einflussfaktoren kümmert, die einen Veränderungsprozess einerseits torpedieren oder andererseits sicherstellen, also in jeglicher Form beeinflussen können. Damit ist Change Management auch eine notwendige Ergänzung zum Projektmanagement: Projektmanagement steuert die Implementierung von Neuem, Change Management sichert dessen Nutzung, dessen Nachhaltigkeit und dessen positiven Einfluss.
Change Management trägt Sorge dafür, dass ein Plan funktioniert – und zwar über eine mängelfreie Technologieinstallation hinaus. Sobald eine Technologie oder Lösung zu einer „Erschütterung“ im operativen Betrieb führt, liegt das größte Risiko für den Erfolg in den Menschen, die mit der neuen Situation, der neuen Technik, neuen Prozesse oder Rollen und Verantwortlichkeiten umgehen müssen.“
Wie ist Ihre Vorgehensweise im Unternehmen, das versucht, Change Management erfolgreich zu durchlaufen?
TW: „Der erste wichtige Schritt ist, eine gemeinsame Sicht auf den Change-Prozess zu entwickeln. Es gibt viele Change Tools, Theorien und Modelle und jedes für sich ist wertvoll. Doch erst die Kombination von mehreren bietet einen umfassenden Blick und eine einfache Darstellung auf ein komplexes Gebilde. So bieten sich zunächst die 6 Phasen der Veränderung nach Rick Maurer an, die jeder Change-Prozess durchläuft. Der „Kreislauf“ der Veränderung besteht dabei aus:
- „Im Dunkeln“: Jeder spürt es bahnt sich etwas an, aber keiner misst den Signalen irgendeine Bedeutung bei. Die Energie für eine Veränderung ist nicht vorhanden.
- „Die Herausforderung sehen“: Mitarbeiter und Führungskräfte sehen jetzt die Chancen oder das Problem und verstehen die damit verbundenen Konsequenzen (see & feel the change). Eine Veränderungsenergie baut sich auf.
- „Anfangen“: Die Vorbereitungen für die Umsetzung der Veränderungen werden getroffen. Die Mannschaft wird fit gemacht und die notwendigen Rahmenbedingungen geschaffen.
- „Ausrollen“: Die Veränderung wird umgesetzt.
- „Ergebnisse“: Die Veränderung ist nun normales Tagesgeschäft geworden.
- „Zeit für Neues“: Die nächste Veränderung wird initiiert.
Dies bringt schon viele Erkenntnisse darüber, wo das Projekt steht und wo die Mitarbeiter. Wichtig ist es aber, neben den 6 Phasen, auch die 3 verschiedenen Ebenen des Widerstandes mit einzubeziehen. Auch wenn Mitarbeiter oder Unternehmensteile sich in der gleichen Phase befinden, benötigen diese aufgrund ihres unterschiedlichen Widerstandniveaus verschiedene Interventionen, um im Kreislauf weiter voranzuschreiten. Wenn man sich den Widerstand in Veränderungen genauer ansieht, dann lassen sich drei unterschiedliche Ebenen von Widerstand erkennen und einordnen. Jede Ebene hat dabei ein eigenes Energieniveau und je höher die Ebene, desto energiegeladener ist der Widerstand.
Als erste Ebene begegnen wir dem rein sachlichen Widerstand, der sich am besten mit der Aussage „ich verstehe das nicht“ beschreiben lässt. Dabei geht es um eine unterschiedliche Interpretation der Fakten, der aktuellen Situation, der Rahmenbedingungen, der Vorgehensweise etc.
Widerstand der Ebene 2 ist der emotionale Widerstand und lässt sich gut beschreiben als „ich mag das nicht“. Hier reicht mitunter ein Wort und die betroffene Person oder ganze Gruppen von Mitarbeitern verschließen sich. Der Hintergrund der Widerstandsebene 2 liegt oft in gefühlter Überforderung, der Veränderung nicht gerecht werden zu können, an den Rand seiner Komfortzone zu gelangen, aber auch Unsicherheiten: Was wird aus den Dingen, die ich im Job „liebgewonnen“ habe? Was wird aus den Kollegen um mich herum? Und nicht zuletzt: Was wird aus mir?
Und dann gibt es noch die dritte Ebene: „Ich mag Sie nicht.“. Der personenorientierte Widerstand ist energetisch die höchste Widerstandsform und liegt in der Person begründet, die man als Leitfigur der Veränderung identifiziert. Ursache ist dabei oft die in der Vergangenheit gemachte Erfahrung in ähnlichen Situationen mit der Person oder Personengruppe, z.B. der Geschäftsführung. Hierarchische oder kulturelle Unterschiede können hier eine Rolle spielen, ebenso wie Vertrauen, Annahmen und Muster. Diese sind maßgeblich für die Reaktionen verantwortlich. Dennoch, Veränderungen scheitern nicht am Widerstand an sich, sondern wie die Verantwortlichen sprich Führungskräfte mit diesem Widerstand umgehen. Hier braucht es verschiedene Ansätze zur Bearbeitung des Widerstands, je nach Ebene.“
„Mit diesen beiden Modellen (6 Phasen und 3 Widerstände) bekommen wir, wenn man sie übereinanderlegt, schon eine sehr differenzierte Sicht auf die aktuelle Situation. So können wir die gemachten Hypothesen verfeinern und konkrete Interventionen zum weiteren Vorgehen ableiten.“
Wenn man weiß, wo die Leute im Modell/Unternehmen stehen, wie treibt man den Prozess voran?
TW: „Dann kommt ein drittes Modell ins Spiel, welches schon ein Kochrezept des Vorgehens im Change Prozess darstellt: die 8 Schritte nach John Kotter. John Kotter analysierte und beschrieb mit seinem Modell, wie Unternehmen, die einen Change-Prozess erfolgreich umgesetzt haben, vorgegangen sind und worin die Gemeinsamkeiten bestanden. Entscheidend ist aber, wann bzw. in welcher Phase diese Schritte eingesetzt werden. Denn wenn man die Vision z.B. zu früh kommuniziert, wird diese nicht angenommen und erhöht sogar den Widerstand.“
„Die hier gezeigten Modelle sind eine Arbeitsgrundlage und sollen die gemeinsame Sicht auf die aktuelle Situation erleichtern sowie Handlungsorientierung geben. Sie sollen die Diskussion anfachen, was die Situation, das Projekt bzw. das Unternehmen braucht, um den Projekt- und Veränderungsfortschritt sicherzustellen. Die konkret zu unternehmenden Maßnahmen sind dabei individuell auf das Unternehmen hin zu wählen. Auch hier gibt es „Standards“, die dann noch auf die aktuelle Unternehmenskultur hin anzupassen sind. Gerade in der Diskussion mit Führungskräften wird diesen anhand des Modells aber sehr schnell klar, welche Rolle sie einnehmen müssen und was es von ihnen wann braucht, um den Veränderungsfortschritt sicherzustellen.
Die Akzeptanz sowie das Verständnis für solche Change-Initiativen steigt mit dieser gemeinsamen Plattform immens an und das Commitment der Führungskräfte ebenso. Eine Garantie, dass alle nun wissen, was zu tun ist, es können und auch tun sowie durchhalten werden, ist damit aber nicht gegeben! Dieser Prozess muss begleitet werden, denn Change-Projekte stellen mitunter völlig neue Anforderungen an die Führungskraft. Auch hier ist Widerstand zu erwarten. Die Balance zwischen Tagesgeschäft und Change-Maßnahme zu finden, stellt die Führungskräfte dann noch zusätzlich vor persönliche Herausforderungen.“