» Herausforderungen bei der Digitalisierung«

Herzlich Willkommen zu unserer ersten Folge der Expertengespräche zum Thema Digitalisierung.

Viele können das Wort schon nicht mehr hören und doch ist es für viele gleichzeitig eine Existenzfrage. Nicht wenige wissen nicht so recht, wie sie anfangen sollen, andere haben sich verrannt und wissen nicht wie weiter und immer wieder hört man, es geht nicht so richtig voran.

Mit unserem Gesprächspartner wollen wir klären, wie man dieses Wortungetüm in sinnvollen Inhalt überführt, wie man zu einem gerichteten Handlungsplan kommt, wie man das Große in bewältigbare Teile zerlegt und was man tun kann, wenn man sich festgefahren hat.

Dazu sprechen wir mit Martin Meister, der seit 25 Jahren digitale Unternehmen und Bereiche aufgebaut und verantwortet hat. Martin Meister hat eines der ersten Onlinereisebüros mit aufgebaut, hat namhaften Unternehmen wie Parship und Tchibo geholfen, ihre Innovationsfähigkeit zurückzugewinnen und war lange Jahre Geschäftsführer von Chefkoch.de bevor er sich als Interim Manager selbständig gemacht hat und dort bereits dem einen oder anderem Unternehmen aus der Krise geholfen hat.

Warum sprechen alle über Digitalisierung?

Weil es für die meisten Unternehmen eine existentielle Frage ist. Wenn ein Unternehmen sein langfristiges Überleben sichern will, braucht es eine erfolgreiche Digitalisierungsstrategie.

Das klingt sehr dramatisch und auch ein wenig übertrieben.

Nicht wirklich. Ein sehr populäres Beispiel sind die deutschen Kaufhäuser wie Hertie, Karstadt etc. Die haben den Zug verpasst.

Früher haben Zeitungen, wie die Süddeutsche und FAZ gutes Geld mit Stelleanzeigen in der Wochenendausgabe ihrer Zeitungen verdient. Jetzt verdient das Geld der Springer Verlag mit seiner Tochter Stepstone.

Weitere Beispiele sind Partnervermittlungen, die inzwischen ausgestorben sein dürften. Görtz kämpft ums Überleben und versucht das mit zunehmender Ausrichtung auf Digitalisierung. Für Hallhuber kommt die Hilfe zu spät.

Für diese Entwicklungen lassen sich noch endlos Beispiele finden, die alle dasselbe zeigen. Um sein langfristiges Überleben zu sichern, braucht jedes Unternehmen eine Digitalisierungsstrategie.

Zu glauben, dass diese Entwicklung am Ende ist, wäre falsch und bekundet lediglich einen Mangel an Fantasie.

Es gibt zahlreiche Studien, die besagen, dass es in Deutschland nicht so richtig vorangeht. Bevor wir aber dazu kommen, vielleicht zunächst einmal die Frage: Was heißt eigentlich Digitalisierung?

Das ist eine gute Frage: Bei manchen Beiträgen, die unter der Überschrift Digitalisierung laufen, ist es nicht so einfach herauszufinden, was die jeweiligen Autoren meinen, wenn sie von Digitalisierung sprechen.

Für mich macht folgende Einteilung Sinn:

    1. Unternehmen digitalisieren ihre internen Prozesse, wie z.B. den Rechnungslauf, Mitarbeitereinsatzplanung, oder ähnliches.
    2. Unternehmen digitalisieren die Prozesse zum Kunden und zu externen Partnern (das können z.B. auch Bewerber sein) wie z.B. die Vergabe von Terminen, die Bestellung von Rezepten beim Arzt, etc.
    3. Die Unternehmen schaffen auf Basis der Digitalisierung neue Mehrwerte für ihre Kunden oder erweitern ihre Geschäftsaktivitäten. Sehr einfach versteht man das bei allen Händlern, die natürlich mehr Auswahl und Verfügbarkeit bieten können. Car-Sharing-Ansätze, E-Scooter, Lieferdienst etc. sind weitere Beispiele oder Online-Gründungsverfahren der Notare, Waschmaschinenhersteller die keine Waschmaschinen mehr verkaufen, sondern eine Nutzungsgebühr berechnen.
    4. Unternehmen gründen eigene Töchter, mit denen sie ihr bisheriges Geschäftsmodell disruptieren.

Also kann man grob sagen, Effizienz steigern bei internen und externen Prozessen, Wachstum durch Kundenmehrwerte?

Wenn man sich auf ein derartiges Modell verständigt hat, kann man anfangen, sinnvoll zu arbeiten.

Auch ich habe bis vor kurzer Zeit einige Beiträge nicht verstanden, weil für mich Digitale Transformation erst auf der dritten Stufe, also bei der Schaffung neuer Mehrwerte und damit verbunden einer Veränderung des Geschäftsmodells beginnt. Bis ich irgendwann gemerkt habe, die meisten Unternehmen sind noch nicht mal auf Stufe 1 oder 2 angekommen. Manche von ihnen versuchen dann trotzdem zusätzlich schon Wachstumsinitiativen zu entwickeln, was meistens zur Verzettelung führt.

Für viele gerade mittelständische Unternehmen geht es darum, zunächst interne und externe Prozesse zu optimieren und darüber die Kraft inklusive der finanziellen Spielräume zu generieren. Damit kann das eigene Geschäftsmodell auf neue Beine gestellt werden, indem aus der Digitalisierung neue Mehrwerte für Kunden geschaffen werden. Unternehmen, die langfristig überleben wollen, müssen auf der Stufe Wachstum ankommen.

Nicht wenige Unternehmen sind in der Situation, dass die bestehenden IT-Systeme so gut wie nicht erweiterbar und veränderbar sind und damit den neuen Anforderungen nicht gewachsen sind. D.h. vor der Digitalisierung und der Hebung von Effizienz und Arbeitserleichterung steht erst einmal die Sanierung der IT. Wenn die Systeme nicht anschlussfähig sind, wird die Digitalisierung nach kurzer Zeit ins Stocken geraten und letztendlich scheitern.

Heißt also: Erst Sanierung, dann Effizienz nach innen und nach außen und dann Wachstum durch Innovation im Geschäftsmodell?

Richtig, die Phasen werden dabei überlappen. Zudem sollte man während der Umsetzung der einen Phase bereits mit Planung der Folgephase beginnen. Denn inzwischen dürften fast alle Unternehmen Zeitdruck haben. Hat ein Unternehmen das Thema Effizienz bis zu einem gewissen Grad vorangetrieben, kann es sich um das Thema Wachstum kümmern. Wobei es dabei immer leichte Überschneidungen gibt.

Meine Ambition ist dabei grundsätzlich, die Steigerung der Effizienz sowie die Schaffung neuer Mehrwerte mit Nachhaltigkeit und Umweltschutz zu verbinden.

Gibt es nicht noch andere Möglichkeiten?

Es gibt auch die Situation, dass ein Unternehmen nicht mehr die Zeit hat, den Prozess Sanierung, Effizienz und dann Wachstum zu durchlaufen, weil ein großer Player kurz davorsteht, den Markt mit einem disruptiven Modell so zu verändern, dass das existierende Geschäftsmodell bedroht ist.

Dann bleibt nur noch, selbst die Disruption zu starten, was meistens aber nicht in den existierenden Organisationsstrukturen funktionieren wird, sondern die Gründung eines entsprechenden Tochterunternehmens erfordert.

Allerdings sollte man sich im Klaren darüber sein, dass Disruption nicht einmal eben schnell funktioniert. Viele sehen in Disruption das große Zauberwort. Ich brauche nur eine gute Idee und dann geht alles andere von allein. Disruption funktioniert nicht, weil einer den großen Geistesblitz hat, sondern ist das Ergebnis einer systematischen Analyse der Kundenbedürfnisse und der diesbezüglichen Defizite der bestehenden Prozesse und Angebote.

Die Anforderungen an eine Organisation steigen in der Regel von Sanierung über Effizienz zu Wachstum an. Wenn ein Unternehmen auf diesem Pfad noch keine Erfahrungen gesammelt hat und das Thema bis hierhin verschlafen hat, ist nicht zu erwarten, dass genau dieses Unternehmen ausgerechnet in der Disruption besonders erfolgreich ist. Das Unternehmen braucht also dringend externe Hilfe.

Aber unabhängig davon, welchen Weg man geht. Es ist an der Zeit, sich auf die Socken zu machen.

Ihre Ansprechpartnerin

Christiane Fuhrmann
Head of Marketing I Business Development