Der Interim Markt
10 Thesen:
1. Der Interim Markt wird jünger, weiblicher, bunter!
Der Interim Management Markt wächst weiter und wird durch die zunehmende Erfahrung der Manager, durch die beiden Verbände sowie vielfältige Weiterbildungsangebote immer bekannter und professioneller!
Diese These ist in unserer Branche wohl fast zum Allgemeingut geworden. Waren es früher vorwiegend „altgediente“ Manager, die eine „zweite Karriere“ als Interim Manager einschlugen, entscheiden sich heute immer jüngere Führungskräfte und/oder Spezialisten für diesen Weg. Und auch der Trend zu mehr Frauen in Führungspositionen setzt sich im Interim Management durch. Wir sind zwar noch nicht ganz auf dem Niveau unserer britischen Nachbarn, wo der Frauenanteil bereits über 30 Prozent erreicht hat, sind aber auf einem guten Weg. Und die Management Angels sind stolz darauf, aktuell über den „frauenlastigsten“ Pool am deutschen Markt zu verfügen.
Management-Einsätze weiten sich zudem im Sinne eines „trickle downs“ auf neue Branchen und neue betriebswirtschaftliche Funktionen aus. Dies führt zu einer Ausdifferenzierung des Angebotes wie es die größere, ehrlicherweise professionellere Consulting-Branche vorlebt. Diesem Pfad wird unsere Interim Management-Branche in den nächsten Jahren folgen.
2. Es lebe der Spezialist, der auch Berater kann!
Der Markt für Consulting und der kleinere Markt für Interim Management konvergieren. Dabei stirbt der Generalist aus. Analog zum Consulting werden sich immer größere Spezialisierungen herausbilden.
In meinen gut 15 Jahren in unserer Branche wurde immer wieder diskutiert, ob dem Generalist oder dem Spezialist die Zukunft gehört. Ich habe z.B. an einer Universität BWL studiert, die den Generalisten entgegen dem Zeitgeist für unabdingbar hielt. Denn es müsse ja jemand auch den Überblick behalten. Dies ist alles richtig. Und natürlich braucht es für viele Aufgaben Generalisten. Aber der Spezialist hat doch den Sieg davongetragen. Immer mehr Kunden werden deutlich anspruchsvoller und suchen z.B. genau den Produktionsleiter, der in Polen schon mehrfach erfolgreich Automotive-Projekte durchgeführt hat – Sprachkenntnisse inklusive.
Dabei konvergieren Consulting und Interim Management, weil es reine Strategieberatungs- bzw. reine Management-Projekte immer weniger gibt. Der Kundenbedarf ist häufig eine Kombination aus Analyse (Beratung!) und Umsetzung. So denke ich, dass die Zukunft meist einem Spezialisten gehört, der idealerweise das Rüstzeug eines Beraters hat, weil er oder sie in jüngeren Jahren bei einem renommierten Beratungshaus gearbeitet hat. Was übrigens für viele Kunden ein äußerst wichtiges „Signaling“ darstellt. Diese Interim Manager werden vom Kunden bevorzugt eingekauft.
3. Rechtliche Aspekte gewinnen zunehmend an Bedeutung!
Gerade in Deutschland werden rechtliche Thematiken, vor allem die Scheinselbständigkeit, aber auch Haftungs- und Versicherungsthemen sowie Rahmenverträge unsere Branche bewegen.
Das Recht ist ein weites Feld. Das Problemfeld der Scheinselbständigkeit hat und wird wahrscheinlich weiter an Relevanz gewinnen. Kunden fragen sich immer intensiver, wie der Interim Manager und oder sein Provider eigentlich haften, wenn denn ein vermeintlicher Fehler passiert sei. Was passiert mit seiner Selbständigkeit und Haftung, wenn der Interim Manager sich als Organ eintragen lassen würde? Sind Interim Manager gewerbesteuerpflichtig? Welche Vor- und Nachteile haben verschiedene Rechtsformen?
Gleichzeitig und quasi als Konsequenz gibt es ein immer größeres Spektrum an Versicherungslösungen. Immer mehr – zumeist größere Unternehmen – wollen Rahmenverträge abschließen. Auslandseinsätze wiederum führen zu Themen wie Aufenthaltsrecht und selbst innerhalb der EU zu oft völlig unterschiedlichen rechtlichen Rahmenbedingungen. Arbeitsrecht ist primär nationales Recht. Ein Interim Manager braucht die Bereitschaft, sich hier in seine spezifische Situation einzuarbeiten. Auch während der Karriere als Interim Manager werden sich immer wieder Rechtsfragen ergeben. Ein spezialisierter Anwalt des Vertrauens ist ein wertvoller Kontakt!
4. Lösungen weltweit und aus einer Hand!
Größere Kunden erwarten rahmenvertragliche Lösungen aus einer Hand und weltweit. Working Capital Requirements und steigende Komplexität erfordern größere Provider oder Provider-Netzwerke.
Kundenunternehmen sind immer globaler aufgestellt. Dies gilt gerade auch für die deutschen Unternehmen im Herzen Europas – im Lande des (bis vor kurzem noch) Exportweltmeisters. Diese Kunden mögen kein „maverick buying“, bei dem irgendwelche Tochtergesellschaften irgendwelche Leute einkaufen. Sie wollen zunehmend das, was die Star Alliance für den anspruchsvollen Geschäftsreisenden liefert. Eine einheitliche quasi nahtlose Customer Experience. Eine planbarere Qualität bei gleichzeitig zentral verhandelten Rahmenbedingungen. Um dies als Provider anbieten zu können, muss man entweder sehr groß sein oder sich zu Allianzen zusammenschließen. Als Teil der EIM Group sind wir in der Lage, einen schnellen weltweiten Einsatz von Interim Managern möglich zu machen.
5. Stuck in the middle!
Für die Provider stellt sich immer mehr die Frage: Massengeschäft oder Qualitätsoffensive?
Diese „Portersche“ Frage stellt sich Unternehmen natürlich immer. In der jetzigen Marktreife des Interim Managements scheint sie sich allerdings besonders zu stellen. Es entwickelt sich ganz klar ein „no frills“-Geschäft (Ryanair) mit Schnelligkeit, Eigensuche, günstigen Preisen. Und auf der anderen Seite haben wir das gerade schon angesprochene „Star Alliance“-Geschäft für den anspruchsvollen Kunden, der mehr als nur Vermittlung wünscht. Er erwartet branchenerfahrene Beratung in der Auftragsklärung, Projektbegleitung, Rechtshilfe, wahre kompetenzbasierte Kenntnis des angebotenen Interim Managers etc.
Die erste Strategie wird oft durch börsennotierte amerikanische Großanbieter verfolgt. Die zweite oft von kleineren, eigentümergeführten Spezialisten. Keine Strategie erscheint mir grundsätzlich besser oder schlechter. Aber was für Interim Manager gilt, nämlich sich zu spezialisieren und einen klaren eigenen Qualitätsbegriff und USP zu entwickeln, das gilt auch für die Provider. „Stuck in the middle“ sollte man als Provider gerade jetzt nicht sein.
6. Der Interim Manager avanciert zur Marke
Der digitale Auftritt über diverse Kanäle zwingt den Interim Manager zu professionellen und optisch gut aufbereiteten Unterlagen. Sie müssen immer aktuell und angebotsspezifisch sein.
Es gibt immer mehr Interim Manager. Und die Kunden sind immer erfahrener und aufgeklärter. Sie wissen, dass es ca. 15.000 Interim Manager alleine auf dem deutschen Markt gibt. Und da werden sie wählerischer. Sie wollen den wirklichen Spezialisten (These 2!). Und wie erkennt man den einzelnen Interim Manager als Spezialist für bestimmte Themen? Indem er zu einer klar positionierten Marke wird. Es muss ja nicht gleich so exaltiert wie bei Karl Lagerfeld sein. Aber der Interim Manager sollte auffallen wollen. Für „seine“ Themen. Und dazu gehört ein professioneller, fokussierter Auftritt, der dann auch optisch passt. Neben Aktualität gehört natürlich dazu, dass die persönliche „value proposition“ je nach Projektanfrage spezifisch auf den Kundenbedarf hin agepasst wird.
7. Der Interim Manager wird gläsern
Der Interim Manager der Zukunft wird gläsern sein, im Sinne von „bewerten Sie Ihr Hotel!“ Seine Ergebnisse werden beurteilt und für Kunden transparent.
Bei dieser These wird mir selbst ein wenig mulmig. Hier scheint eine unsichtbare Grenze überschritten zu werden. Und doch passiert es bereits. Bei internationalen, digitalen Vermittlungsplattformen für „Clickworker“ und Freelancer für einfachere Tätigkeiten ist es heute bereits Usus, den Freelancer im Anschluss an seine Projekte anhand von verschiedenen Kategorien zu bewerten. So wie wir es gewohnt sind, Hotels nach der Übernachtung auf Booking.com oder HRS zu bewerten. Und dies wird natürlich zukünftig auch bei Interim Managern passieren. Was dann wiederum den Erfolgsdruck weiter erhöhen wird. Im Dienste der Transparenz. Und womöglich wird es sogar die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass der richtige Interim Manager in das richtige Projekt kommt. Denn es gibt ja nicht den „guten“ oder den „schlechten“ Interim Manager. Es gibt nur den „gut passenden“ oder „nicht passenden“.
8. Der Interim Manager muss gefunden werden
Die Suchbarkeit eines Interim Managers wird so wichtig wie die eines eCommerce-Unternehmens. CV, Website und Content werden suchmaschinenoptimiert und beworben (SEO & SEA). Hier spielen Provider eine entscheidende Rolle.
Weil sich Interim Manager (These 2) immer mehr spezialisieren und (These 6) eine Marke bilden, wollen sie, auf Spezialisierung und Marke „einzahlend“, auch im Netz gefunden werden. Indem der Lebenslauf und die weiteren Projektunterlagen, der Content der Website und die Inhalte, die Interim Manager in Social Media oder in digitalen Fachmedien platzieren, systematisch so gestaltet sind, dass man sie als diejenigen wahrnimmt, als die sie gesehen werden wollen, z.B. als CFO für eCommerce-Unternehmen in Österreich. Hierbei ist nicht nur wichtig die für den Einzelnen individuell relevanten Schlüsselwörter regelmäßig zu nutzen. Es ist fast genauso wichtig „Irritierendes“ wegzulassen. Denn dies erhöht die Relevanz der wichtigen Keywords.
Beim „Gefundenwerden“ gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten. Durch das Setzen der richtigen Schlüsselwörter an den richtigen Stellen (z.B. Überschriften) und das gleichzeitige Weglassen von „Nicht-Kernbotschaften“, durch ständiges maßvolles Aktualisieren der Webaktivitäten, durch langfristiges gleichbleibendes Engagement (das Google liebt), wird man in Google-Suchen immer weiter oben auftauchen (SEO). Der nicht ganz so nachhaltige, langfristig zumeist teurere Weg ist das Schalten von Google-Werbung (SEA). Für SEO sollte man sich in jedem Falle interessieren. Wenn dann noch Werbung dazu kommen sollte, dann ist hier besonders wichtig, die relevanten Schlüsselwörter bzw. Wortkombinationen zu finden und immer wieder zu überprüfen.
Ein wenig beachteter Aspekt zum Schluss. Ein Qualitätsprovider kennt seine wichtigsten Interim Manager. Aber es ist einfach unrealistisch, dass die auch wechselnde Mitarbeiterschaft eines Providers immer alle Unterlagen und damit Fokusse auswendig im Kopf haben. IT-technisch gut ausgestattete Provider verfügen über interne Suchsysteme, die einer Art Google für den eigenen Server gleichkommen. Auch hier gelten natürlich die oben besprochenen „Regeln“.
9. Die Arbeitskultur wird sich flächendeckend dem Silicon Valley anpassen!
Wir werden alle flachere Hierarchien leben, mehr testen, mehr pivotieren, disruptiver denken, mehr „brennen“ und selbständiger sein. Unternehmen werden permeabler….
Das Silicon Valley hat in den letzten Jahrzehnten Zehntausende Unternehmen aus dem Nichts geschaffen, die heute Milliarden von Dollars Umsätze machen, Billionen wert sind und disruptiv eine Branche nach der anderen verändert haben. Und mit der eine andere Art des Arbeitens in die Welt gekommen ist. Eine Welt von Technikern, die kein großes Faible für Anzüge und Krawatten haben, sondern in der Sonne Kaliforniens lieber im T-Shirt herumlaufen.
Aber spannender: Die alle zusammen im Großraum sitzen, da so Austausch und Innovation erzeugt wird. Die in Projekten arbeiten und dabei einer Scrum-Logik folgen. Die dann, wenn sie gerade in einem „Sprint“ sind, nicht auf die arbeitsvertragliche Wochenarbeitszeit achten. Die häufig durch Anteile am Erfolg „ihres“ Unternehmens profitieren. Die sich Fehler erlauben. Die testen. Wo Mitarbeiter bei z.B. Google (zumindest theoretisch) einen Tag die Woche diejenigen Projekte verfolgen, die sie persönlich für relevant halten. Die pivotieren, d.h. die gesamte Unternehmensstrategie in Frage stellen. Die fallen und wieder aufstehen. Die niemals aufgeben. Die begeistert sind von dem, was sie tun. Die Bestehendes in Frage stellen und damit die Welt verändern wollen. Die schnell sein wollen. Die selbständig agieren. Die in Wertschöpfungsnetzwerken denken und mit anderen Unternehmen kooperieren, damit jeder sich auf seine Kernkompetenzen spezialisieren kann. Nicht all dies wird seinen Weg in die Welt finden. Aber diese neue Art des Arbeitens breitet sich gerade über das Valley in „normale“ amerikanische Unternehmen aus. Und es kommt im Tech- und Startup-Umfeld nach Europa. In Berlin ist schon ganz viel davon angekommen. Und diese Ausbreitung wird weiter gehen und in den nächsten Jahren unser aller Arbeiten beeinflussen.
10. Digitalisierung als Treiber unserer Branche
Die Digitalisierung ändert nicht nur unser Geschäft, sie wird auch eine der wichtigsten Quellen für neue Geschäftsideen unserer Branche!
Viele Unternehmen, gerade der Mittelstand, werden Hilfe benötigen. Der Mittelstand ist häufig noch mehr Industrie 1.0 als 4.0. Und dann braucht man nicht nur Berater, sondern Manager, die die digitale Transformation aktiv gestalten. Technologieunternehmen waren schon seit jeher eine „Königsbranche“ der Interim Manager. Hier gibt es viele qualifizierte Kräfte. In digitalen Umfeldern wird auch sehr angelsächsisch und projektorientiert gedacht, dies kommt unserem Thema Interim Management sehr entgegen. Es gibt für unsere Branche viel Projektpotenzial!
Autor: Thorsten Becker
Thorsten Becker
Head of Business Development & International • Prokurist